Revolution Train goes West - Ein außergewöhnlicher Zug auf der Ankum-Bersenbrücker Eisenbahn
Revolution Train goes West
Vom 13. bis zum 20. Juni 2022 machte der Revolution Train, ein bemerkenswertes Anti-Drogen-Projekt aus Tschechien, Station im Bahnhof von Ankum. Zusammen mit dem anschließenden zweitägigen Aufenthalt im nahegelegenen Bramsche hat der Revolution Train, oder kurz RT, damit seine bislang westlichsten Zielbahnhöfe erreicht.
Was ist der Revolution Train?
Im Jahr 2000 starb ein guter Freund von Pavel Tuma an einer Überdosis Crystal Meth. Trauer und Wut über diesen Verlust haben den Tschechen angetrieben, das Thema Prävention in einer neuen Form in einem Zug auf die Schiene zu stellen und im wahrsten Sinne des Wortes auf den Weg zu bringen. Ein langer Weg war es dennoch, bis 2015 der RT in seiner heutigen Form fertiggestellt war und 2016 in größerem Umfang auf Tour gehen konnte.
Teils von Kritik begleitet, das Konzept der Abschreckung sei überholt, sprachen steigende Besucherzahlen und positive Rückmeldungen eine andere Sprache. Bis 2019 wurden schon knapp über 200 Orte besucht, überwiegend in Tschechien und der Slovakei. Doch mit mehreren Besuchen in Thüringen, Sachsen, Bayern und Berlin wurde der RT zunehmend auch in Deutschland bekannt. 2020 machte die Covid-19-Pandemie das geplante Programm zunächst unmöglich.
Gesunde Denkweise
Pavel Tuma hat weitreichende Visionen und Konzepte was Prävention angeht. Insbesondere Kinder und Jugendliche sind in der heutigen Gesellschaft vielfältigsten Einflüssen ausgesetzt, die zu ebenso vielfältigen Abhängigkeiten führen können. Der RT befasst sich konkret mit dem Weg, der junge Menschen zu harten Drogen führt, oft bis zum bitteren Ende.
In den sechs Waggons erleben so die vorrangig jugendlichen Besucher, wie eine „Drogenkarriere“ abläuft: Vom ersten Bier, der ersten Zigarette in Gruppendynamik bis zu Beschaffungskriminalität und Prostitution, die am Ende den goldenen Schuss finanziert.
5D – Erleben mit allen Sinnen
Bei jungen Menschen im spät- und postpubertären Alter stößt die Erziehung mitunter auf die sprichwörtlichen tauben Ohren. Der RT will deshalb weg von verstaubten Vorträgen im Klassenzimmer und setzt auf vielfältiges Erleben und Bewusstmachen. Ein Film, unterteilt in vier Abschnitte und jeweils kombiniert mit nachgestellten „Originalschauplätzen“: Von der Bar über den Autounfall ins Gefängnis und Verhörzimmer und schließlich die heruntergekommene Bleibe eines vollkommen Abhängigen. Zwischendurch kurze Stopps und Gelegenheit zu Feedback mittels Fragebögen, die die Besucher zu Beginn in die Hand bekommen. Zum Abschluss holt der „Baum des Lebens“ die Besucher wieder ins Hier und Jetzt zurück. Das Gesamtkonzept umfasst neben dem Kernprogramm im Zug auch umfangreiche Vor- und Nachbereitungen, wozu stets mit lokalen Institutionen der Jugendarbeit und Lehrkräften eng zusammengearbeitet wird. Teils übernehmen, wie auch hier in Ankum, MitarbeiterInnen der örtlichen Jugendbüros nach entsprechender Schulung die Führungen durch den Zug.
Beim Deutschen Präventionstag 2018 in Dresden lernten sich Pavel Tuma und Vertreter des Jugendbüros der Samtgemeinde Bersenbrück kennen. Die Idee wurde geboren, den Zug nach Niedersachsen zu holen, ein Termin im Frühjahr 2020 kam in den Fahrplan. Das Züge Verspätung haben kommt vor, das es ganze zwei Jahre wurden, hatten sich alle Beteiligten gewiss anders vorgestellt. Doch Mitte Juni 2022 war es dann soweit und der silberne Zug rollte in den kleinen Bahnhof von Ankum ein. Schüler aus Bersenbrück konnten zum Besuch des Zuges mit dem in Ankum stationierten NE81-Triebwagen der Weser-Ems-Eisenbahn anreisen, ansonsten wurden die Ausflüge mit Bussen organisiert. An den Nachmittagen hatten zudem alle Interessierten Gelegenheit, das Programm im Zug zu erleben, wovon vor allem am Wochenende auch rege Gebrauch gemacht wurde. Und nach diesem ersten einwöchigen Aufenthalt ist bereits der Wunsch nach einem erneuten Besuch des Zuges aufgekommen. Zunächst aber ging es für den Revolution Train noch in den Norden Deutschlands nach Itzehoe, bevor Ende Juni wieder tschechische Gleise erreicht wurden.
(Bericht und Fotos: Michael Wernke)