Die Bentheimer Eisenbahn im "Dritten Reich"
Welche Rolle hat die Bentheimer Eisenbahn (BE) zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft von 1933 bis 1945 eingenommen? Darüber war bislang nur sehr wenig bekannt. Im Rahmen eines vierjährigen von der BE beauftragten Forschungsprojektes haben Historiker aus Deutschland und den Niederlanden und Studierende der Universität Vechta die Geschichte des Verkehrsunternehmens während der NS-Zeit untersucht. Überregionale Bedeutung erhielt das Projekt dadurch, dass die Rolle von Klein- und Privatbahnen allgemein während des Dritten Reiches bisher nur wenig erforscht wurde.

Von Interesse waren in dem Projekt politische Affinitäten in der Führung und Belegschaft der mehrheitlich landkreiseigenen Bentheimer Eisenbahn, deren Strecke vom westfälischen Gronau bis in das niederländische Coevorden führte. Daneben standen Aufgaben und Verwicklungen im Fokus, die das Verkehrsunternehmen in der Zeit des „Dritten Reiches“ erfüllte – z. B. Häftlingstransporte und Zwangsarbeiterrekrutierung. Auch nahmen die Historiker und Wissenschaftler die Auswirkungen der NS-Verkehrspolitik sowie kriegsbedingte Beeinträchtigungen wie beispielsweise Bombardierungen in den Blick. Gleich mehrere der insgesamt zwölf Beiträge beleuchten auch das Kriegsende, etwa in Hinblick auf die erst sehr spät erfolgenden Öltransporte und die kurzzeitig existenzielle Bedrohung des Unternehmens nach dem Einmarsch alliierter Truppen. Auch die Verbindung der Bentheimer Eisenbahn in die Niederlande, vor dem Krieg, in den Kriegsjahren und in der unmittelbaren Nachkriegszeit wird beleuchtet. Ein weiteres Kapitel widmet sich der Flüchtlinge und Vertriebenen aus den vormaligen deutschen Gebieten im Osten, die zum Ende des Krieges und in den Jahren danach in großer Zahl auch in die Grafschaft Bentheim kamen und damit auch die Züge der BE im Personenverkehr nutzten.
All diese Beiträge, die auch immer wieder zum Nachdenken über die Zeit im und um den Zweiten Weltkrieg anregen, setzten umfangreiche und bemerkenswerte Recherchen in zahlreichen Bundes-, Landes-, Kommunal- und Spezialarchiven im In- und Ausland voraus. Durch den Sammelband, dessen Anspruch es ist, wissenschaftlich fundierte Ergebnisse zu präsentieren, sollte eine wichtige Lücke in der Aufarbeitung der Unternehmensgeschichte der Bentheimer Eisenbahn geschlossen werden. Diesen Erwartungen wird die Neuerscheinung leider nicht immer gerecht, denn es finden sich immer wieder Fehler insbesondere aus dem betrieblichen Bereich: So wird beispielsweise in dem Beitrag über die Konkurrenz der Lkw zur BE in den 1920er und 1930er Jahren eine Bahnstrecke Uelsen – Wilsum genannt (Seite 111), die es aber niemals gegeben hat. Offenbar ist hier eine Buslinie gemeint. Auch die Verwendung von Waggons durch die Alliierten in den Jahren 1949 und 1950 und deren Rückgabe an die Deutsche Bahn (Beitrag Ch. Spieker, Seite 247,248) mutet aus fachlicher Sicht verwunderlich an, ist die Deutsche Bahn doch erst 1994 aus der Vereinigung der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn der DDR hervorgegangen.
Zudem entgeht den Herausgebern, dass lediglich das Empfangsgebäude in Bad Bentheim 2017 in das Eigentum der Bentheimer Eisenbahn übergegangen ist und nicht der gesamte Bahnhof einschließlich der Gleisanlagen (Seite 8).
Für den Rezensenten unverständlich ist auch die Formulierung in dem Beitrag von J. Eickhoff über die Bentheimer Eisenbahn im Luftkrieg, wonach die „deutsche Jagdwaffe“ durch die enorme Steigerung der amerikanischen Flugzeugproduktion in die Defensive gedrängt wurde (Seite 284). Sollte hier nicht die Luftwaffe gemeint sein?
Diese sowie weitere Fehler, aber auch wenig exakte Übersetzungen (z.B. Seite 261 „Haltepunkt Terberg“ statt Achterberg oder „Kutscher“ statt Lokführer) und Tippfehler (Fußnote Seite 142
„Bentheimer Eisenbahn-Aktiongesellschaft“) hätten sich bei sorgfältigerer Schlusskorrektur sicher vermeiden lassen. Und eben diese Tatsache des Fehlens einer sorgfältigeren Schlussredaktion trübt die Sicht des Rezensenten auf das Buch, das zur Aufarbeitung der Unternehmensgeschichte der Bentheimer Eisenbahn in einer unheilvollen Zeit doch so wichtig ist. (ms)